Die Idee: ein Krimi pro Woche, 52 Kurzkrimis im Jahr (manchmal sind es auch 53, wenn die Wochentage im betreffenden Jahr günstig mit der Nummerierung interferieren). Solch einen Wochenkalender gab es beim Verlag ars vivendi (Cadolzburg), stets sehr schön illustriert, leider zum letzten Mal 2024.
Die Herausforderung: eine vollständige Kriminalgeschichte in weniger als 2.000 Zeichen packen. Warum auch immer diese Kalender nicht mehr produziert werden – mir hat es immer großen Spaß gemacht, an diesen Mikrostorys zu frickeln.
Von mir zum ersten Mal im Krimikalender für 2016 folgende Kriminalminiatur:
I’ll be your mirror
Den leblosen Körper vor der Pforte liegen sah Klawuttke zuerst. Den Krankenwagen rief jedoch seine vom Einkauf zurückkehrende Frau. Er selbst blieb stoisch am Küchenfenster stehen und beobachtete das Geschehen über den Vorgarten hinweg. Rasen, Blumenbeet, Jägerzaun. Und jenseits der Straße alles wie in einem Spiegel: Jägerzaun, Blumenbeet, Rasen. Und die Doppelhaushälfte der vor ein paar Minuten verwitweten Frau Schnors, denn die Sanitäter hatten nur noch Herrn Schnors Tod feststellen können.
Mit hochrotem Kopf war dieser vorhin gegen die Pforte der Klawuttkes angestürmt, wild entschlossen, die nächste Beschwerde hervorzustottern, dass er Klawuttke anzeigen werde, weil dieser alle Verweise ignorierend wieder seine kotzhässliche Mistkarre direkt vor seiner, Schnors’, Gartenpforte geparkt habe.
Zwei Polizisten ließen sich auch blicken, reichlich spät, aber immerhin fackelten sie nicht lange und stellten plötzlichen Herztod fest, nicht zuletzt, weil die seltsam gefasst wirkende Frau Schnors sofort von den Herzrhythmusstörungen ihres verstorbenen Gatten berichtete.
Timing war Klawuttkes Sache noch nie gewesen. Er hätte besser auf seine Frau gehört, die ihn schon dreimal nach hinten gerufen hatte, in den Wintergarten, um einen Entspannungstee zu trinken, nach all der furchtbaren Aufregung.
Klawuttke rechnete nicht mit zweierlei: Nicht damit, dass einer der Polizisten umkehren und klingeln würde, um zu fragen, ob er die Toilette benutzen dürfe. Und nicht damit, dass der Trafo, an den er den Klingelknopf angeschlossen hatte, auch ohne Netzanschluss noch genügend Wucht gespeichert hatte, um ein schon strauchelndes Herz endgültig aus dem Tritt zu bringen. Zumal, wenn der Besitzer des Herzens die blanken Kabel in die Hand nimmt.
Schließlich litt auch er schon seit Langem an Herzrasen und Bluthochdruck, wegen des Streits mit dem unverschämten Schnors von gegenüber, der seinen Wagen penetrant vor Klawuttkes Gartenpforte abstellte.
ars vivendi Krimikalender für 2016, ISBN-13: 978-38691-35328 (2015)
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