Ein Beruf fürs Leben

Für die 2024er Ausgabe der Fürther Kärwa-Zeitung. Es war wie bisher jedesmal ein ebenso großes Vergnügen, den Text zu schreiben, wie dann später die gedruckte Ausgabe der Geschichte direkt bei einer Bratwurstsemmel und einer Halben Bier vor Ort nachzulesen. Kurz: meine Empfehlung!

Ganz zu Anfang hatte ich eine klare Vorstellung, welchen Beruf ich einmal ergreifen wollte. Ich wollte Aufseher im Museum werden, entweder im Dinosauriermuseum, in das mich mein Opa mitgenommen hatte, oder in der Ritterrüstungsausstellung auf der Burg, die wir mit der Grundschule besucht hatten. Beide Male war die Zeit des Besuchs viel zu kurz, die Stunden verflogen wie im Nu. Wenn das Museum schloss, wurde ich unbeschreiblich traurig und ließ mich nur widerstrebend nach draußen zerren.

Doch meine Eltern konfrontierten mich mit der harten Realität, dass auch Museumswärter nicht über Nacht in der Ausstellung bleiben durften. Da löste sich meine Karriereplanung auf der Stelle in Wohlgefallen auf, doch ehe mich dieser Schicksalsschlag in große Verzweiflung stürzen konnte, sah ich zufällig im Fernsehen meine erste Detektivgeschichte. »Das ist es!«, dachte ich mir und gründete sofort ein Detektivbüro. Allerdings gab es ein entscheidendes Problem: in unserem Dorf gab es kein Verbrechen. Stattdessen zwei Dutzend private Ermittler aller Altersklassen (6 bis 15 Jahre). Ich habe sogar einmal gehört, dass einer heute noch vergeblich auf Aufträge wartet.

Indessen überkam mich große Ratlosigkeit. Wo sollte ich nur einmal unterkommen, wenn ich mit der Schule fertig sein würde?

»Wenn alle Stricke reißen, wirst du halt ein Schiffschaukelbremser«, tröstete mich mein Opa.

Das klang beruhigend. Schiffgeschaukelt wird immer, dachte ich, schließlich hatte ich selbst vor, mein ganzes Leben lang jede Kirchweih im Umkreis zu besuchen und von früh bis spät zu schiffschaukeln. Die Schiffschaukel war in meinen Augen nichts anderes als der Grundpfeiler unserer Gesellschaft, der Mittelpunkt der Zivilisation, das Ziel aller kulturellen Entwicklung seit den präantiken Sumerern. Ein Leben ohne schiffzuschaukeln ist möglich aber sinnlos – so würde man es heute formulieren.

Als ich meiner Mutter von meinem neuen Berufswunsch berichtete, war sie halbwegs einverstanden. »Zumindest«, sagte sie, »willst du kein Motorrad-Rocker-König, kein Profi-Mittagsschläfer und kein Steckerleseis-Schleckweltmeister mehr werden.«

Mein Vater war noch nicht ganz überzeugt, dass die lange Suche nach meiner beruflichen Bestimmung nun ein endgültiges Ende gefunden hätte. »Bist du dir sicher?« bohrte er nach. »Auf einer Kirchweih gibt es noch unzählige andere Tätigkeiten, eine schöner wie die andere! Da müssen ständig Marzipankartoffeln gerollt, die Scheiben im Spiegelkabinett geputzt und die Katzen aus der Mäusewelt gescheucht werden. Irgendjemand muss das Licht im Gruselkabinett aus- und wieder einschalten, am Backfischturm alle dreißig Minuten die Kassette mit den Ostfriesenwitzen umdrehen und den Namen vom nächsten aufgespießten Ochsen auf die Tafel schreiben. Undundund.«

Er hatte völlig Recht. Es gab und gibt so verwirrend viele großartige Berufe, so unglaublich viele wichtige Arbeiten – wie soll man sich da endgültig festlegen, ohne womöglich einen riesigen Fehler zu machen? Ich gehe seit Jahren auf die Kärwa in Fürth und schau mir alles gründlichst an. Irgendwann ist es dann soweit und ich entscheide mich. Wer weiß – vielleicht schon dieses Jahr …?

Kärwa-Zeitung Fürth, 2024


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