Schwarzes Bier gegen schwarze Gedanken

Das letzte Glas nimmt man entgegen herkömmlicher Annahmen nicht im Stehen. Sondern im Liegen. Ob einer danach nochmal aufsteht, hängt von sehr vielen Umständen ab. Jedenfalls dachte ich, dass in einer Geschichtensammlung über Bier ein Schwank, in welchem ein völlernder wie wolllüstener Pfarrer auftritt, nicht fehlen darf.

Das Titelbild zu dieser Geschichte stammt übrigens aus der italienischen Ortschaft Arquà Petrarca, dem letzten Wohnort des spät-mittelalterlichen/früh-neuzeitlichen Dichters Francesco Petrarca. Gut mit der Bahn von Padua zu erreichen, eine Perle inmitten der Euganeischen Hügel. Auf dem dortigen, liebevoll gestalteten und gepflegten Friedhof spendiert man den Verstorbenen kunstvoll gestaltete Medaillons, wie ja die Italiener überhaupt Friedhof um Welten besser können als wir tumben tedeschi.

Nr. 9

Nichts konnte die Elsemarie weniger vertragen, als wenn sie nicht die ungeteilte Aufmerksamkeit aller auf sich gerichtet wusste. Besonders Sterbefälle waren ihr ein Dorn im Auge, galt doch dann alles Mitgefühl dem Menschlein, das alsbald in der Grube ruhte, und nicht ihr, Elsemarie. Sich selbst sozusagen in den Mittelpunkt zu sterben, beabsichtigte sie auf absehbare Zeit jedoch nicht. Ihre Verzweiflung war groß. So groß, dass sie zum Pfarrer des Dorfes rannte und ihr Leid klagte.

Der Geistliche, der sich die speckweichen Wangen allmorgendlich mit Schleifstein rötete und – peinlich genau darauf bedacht, eine runde, gemütliche Erscheinung abzugeben – unter seine braune Kutte ein monströses Federbett stopfte, warf freilich aus dem Stande ein Auge auf die Elsemarie.

»Nun«, so hub er lächelnd an, denn ihm war Abhilfe in den Sinn gekommen. »So sollten wir uns zurückbesinnen auf ein uraltes Brauchtum, das es einst hierzulande gab, zu Zeiten der altvorderen Väter. Von heute an sollst du mein Kasten-Weiblein sein.«

Gesagt, getan. Seitdem hockt die Elsemarie bei jeder Bestattung auf dem Hügel der ausgehobenen Erde und verteilt aus einem Bierkasten heraus süffiges Schwarzbier an die vorüber defilierende Trauergemeinde. Die Beachtung Aller ist ihr dadurch gewiss, mittlerweile strahlt sie in ihrem schwarzen Spitzenkleid auf unzähligen Fotos in Zeitung und Sozialen Medien, und das gefällt ihr gut, um nicht zu sagen: ausgezeichnet. Die letzte Flasche freilich behält sie stets zurück, die gehört ihrem Pfarrer, dessen Aufmerksamkeit ihr seitdem auch durch so manche Nacht verhilft.


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