Literatur am Mittwoch

Eine Kolumne aus der Reihe „Fürther Freiheit“, die lange Jahre immer mittwochs mit allwöchentlich wechselnden Autor*innen in den Fürther Nachrichten erschien. Hintergrund der Geschichte ist natürlich nicht die nie enden wollende Serie von Pressemeldungen über neue sensationelle Entdeckungen im Universum, sondern die fränkische Affinität für’s Bier. Ja, so einfach ist das.

Biere im Weltraum

Es war reiner Zufall, dass es zwei Münchner Forscherinnen waren, die das Objekt zuerst entdeckten. Augustine Hell und Paula Weizen hatten Anfang Januar 2022 regulär Nachtschicht am 40-Zentimeter-(Alkohol-)Spiegelteleskop der Europäischen Südsternwarte, als ihnen der Getränkeasteroid Hopfenstätter-K20 ins Bild flog. Er hatte ziemlich genau die Form eines Bierkastens, die Seitenlängen je einhundert Kilometer, und bestand aus nichts als gefrorenem Bier. Ein Zusammenstoß mit der Erde würde alles Leben wie wir es kennen auf einem Schlag beenden.

Allerdings nicht durch die verheerende Wirkung eines Einschlags. Vielmehr würde durch die Reibung in der Erdatmosphäre das Bier auftauen und über allen Kontinenten herabregnen. Das Bier würde kniehoch in allen Straßen stehen und quasi für alle Zeiten nichts mehr kosten. Männer, Frauen, Kinder – alle pausenlos betrunken, alleine durch das Einatmen der alkoholischen Aromen. Dass die komplette Tierwelt, einschließlich der Ameisen, ebenfalls lallend und torkelnd in sich zusammenbrechen würde, galt eher als unterhaltsamer Nebeneffekt zur Versüßung der Apokalypse.

Der Namensgeber des Asteroiden, der Tscheche Budovar Hopfenstätter war es, dem es gelungen war, aus den Spektrallinien die wahre Zusammensetzung des Bierklumpens zu erschließen: Pils nach böhmischer Brauart mit 12,2 Grad Stammwürze. Weltweit reagierten die Menschen durchaus unterschiedlich, als der drohende Vollrausch, der die menschlichen Zivilisation ins Koma befördern würde, bekannt wurde. Brachen die Nüchternheits-Apostel in trockene Verzweiflung aus, so bejubelten umgekehrt die Hedonisten diese Form des Weltuntergangs, der genau ihrem Geschmack entsprach. Eine kleine Minderheit leugnete natürlich, dass es den Kometen überhaupt gebe und eine weitere Gruppe bezweifelte die Wirkung von Alkohol auf den Menschen generell, ohne es je selbst ausprobiert zu haben. Am lautesten beschwerten sich jene Leute, die süffiges Bier lieber haben, über die offenbar galaktische Geschmacksverirrung in Richtung hopfig-bitter.

Die meisten Menschen allerdings sahen die Sache zwiespältig: nichts gegen Freibier, sagten sie, aber würde am nächsten Tag nicht die ganze Erdoberfläche fürchterlich kleben und auch nicht wirklich angenehm riechen…?

Und schon bald meldeten die Nachrichtenagenturen, dass sich China anschickte, als erste Nation eine Sonde zu Hopfenstätter-K20 zu beordern, um die gefrorene Spezialität industriell abzubauen. Die EU-Kommission reagierte rasch und richtete eine Task Force unter Leitung des belgischen Weltraumbierexperten Trappiste van der Spaciale ein. Insgesamt wurden Sofortmittel in Höhe von 200 Milliarden Pfandflaschen versprochen, mit ersten Ergebnissen wird 2033 gerechnet.

Und so ergaben plötzlich auch die Weltraum-Ambitionen des derzeit amtierenden bayrischen Ministerpräsidenten etwas Ähnliches wie Sinn. Sobald der Oberpfälzer Meister im Fingerhakeln, Bruno Willhuber, seine Ausbildung beendet haben wird, soll er mit dem Raumschiff Bavaria One in Richtung des galaktischem Bierkastens fliegen, um eine Verkostung vorzunehmen. Ums passende Startgelände wird noch gestritten, aber alles läuft auf die Gipfelstation der Zugspitzbahn hinaus. Da sei man eh schon halb im All, das spare Kosten und gefiele dem lokalen Abgeordneten der Freien Wähler, die sich sowieso für mehr High-Tech im Hochgebirge stark machten. Egal wie die Probe Willhuber schmecken würde, erklärte Markus Söder mit der für ihn so charakteristischen Logik, Bayern bliebe Bayern. So einfach sei das. Das leuchtet ein: was soll eine monatelange Biersintflut dem auf Oktoberfest und Erlanger Bergkirchweih kampferprobten Freistaat schon anhaben können?

Am gelassensten blieb die Gruppe, die man zunächst für eine der am stärksten von der apokalyptischen Bierschwemme betroffene hielt: die fränkischen Privat- und Familienbrauereien. Sie können sich darauf verlassen, dass ihre Stamm(würze-)kunden nicht irgendeine aus dem Weltall dahergeflogene Industrieplörre saufen werden. Wenn es dann soweit ist, werden ihre Gäste einfach hocken bleiben in den gemütlichen Wirts- und Bierstuben, in den Bierkellern und -gärten zwischen Bamberg und Buttenheim, zwischen Hallendorf und Thuisbrunn, zwischen Forchheim und Weißenohe. Wo, wenn nicht dort lässt sich das einzige, was sinnvoll ist, mit einem Weltuntergang anfangen? Ihn nämlich bei ein paar frisch gezapften Halben einfach aussitzen.

Fürther Nachrichten, 5. Januar 2022


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